Für Chip-Hersteller kam der Aufschwung zu schnell

Lieferschwierigkeiten

Für Chip-Hersteller kam der Aufschwung zu schnell

3. März 201 agvs-upsa.ch – Die Corona-Krise hat die Automobilindustrie bereits arg getroffen – und jetzt kommt eine weitere Herausforderung dazu: Aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei Elektronik-Komponenten mussten verschiedene Hersteller bereits ihre Produktion verlangsamen. 

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Quelle: Volkswagen

kro. Im Februar 2021 wurden in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein gerade einmal 16'131 Personenwagen in Verkehr gesetzt. Das entspricht einem Minus von 15,6 Prozent gegenüber Februar 2020 – und dem schlechtesten Februar-Resultat seit der Jahrtausend-Wende. Fasst man die Zulassungszahlen von Januar und Februar zusammen, liegt man gegenüber derselben Periode des Vorjahres bereits um 17,5 Prozent zurück. Das ist auch auf den Umstand zurückzuführen, dass die Showrooms der Händler geschlossen waren und der Handel dadurch sehr stark eingeschränkt, an vielen Orten sogar nicht stattfinden konnte. 

Inzwischen sieht sich die internationale Automobilindustrie neben Corona mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert: dem Fehlen von Elektronik-Komponenten und dem damit verbundenen Mangel an Halbleitern, sprich Chips. Audi, Ford, Volkswagen, Daimler, Honda, Nissan, GM, Renault – die Liste mit Herstellern, die Teile der Produktion verlangsamen oder gar stoppen müssen, wird immer länger. Betroffen sind – oftmals primär – selbstredend auch grosse Zulieferer wie Bosch, Hella, Continental oder Valeo. 

Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen sprang der Automarkt nach dem Einbruch im zweiten Quartal 2020 für viele unerwartet rasch wieder an. Die heruntergefahrene Kapazität bei der Produktion von Halbleitern konnte mit diesem Tempo bei Vorlaufzeiten von sechs bis neun Monaten schlicht nicht Schritt halten. Erschwerend hinzu kommt, dass der Boom bei den Elektrofahrzeugen dafür sorgt, dass der Bedarf an Prozessoren überproportional gestiegen ist. Und ein dritter Faktor hat die aktuelle Situation zusätzlich verschärft: Die Produzenten von Unterhaltungselektronik haben während der Corona-Krise Produkte auf den Markt gebracht, die in ihrer Kombination zu einem generell höheren Bedarf an elektronischen Bauteilen hatten – namentlich zum Beispiel das iPhone 12 oder die neue Playstation 5. Diese Anbieter haben die Automobilindustrie inzwischen als grösste Abnehmer von Mikroprozessoren abgelöst. Entsprechend werden sie auch bevorzugt bedient. 

Wie gravierend sich die Situation entwickeln kann, zeigt, dass Vertreter der Automobilindustrie damit rechnen, dass die Produktion in den nächsten Wochen um 10 bis 20 Prozent pro Woche reduziert werden könnte. Sofern sich die Versorgungslage nicht rasch und nachhaltig verbessert. Die aktuelle Situation wird sich noch drei Monate hinziehen, ist Stefan Bratzel überzeugt. Doch der Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach warnt davor, die Situation zu dramatisieren. 
 
Herr Bratzel, der Chipmangel in der Automobilindustrie nimmt immer bedrohlichere Ausmasse an. Wie ernst ist die Situation tatsächlich?
Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management: Natürlich kommt das Thema jetzt zu den ohnehin schon bestehenden Corona-Einschränkungen dazu und ist für viele Hersteller alles andere als angenehm, aber ich würde dazu raten, die Situation nicht zu überdramatisieren. 

Wie erklären Sie sich, dass eine dermassen grosse Industrie wie die Automobilindustrie in einer für sie so entscheidenden Phase – dem langersehnten Hochfahren und Kompensieren der Corona-Krise – dermassen auf dem linken Fuss erwischt wird?
Das Thema war auf dem Radar vieler Hersteller offensichtlich nicht so präsent wie es aufgrund der strategischen Bedeutung hätte sein müssen. Allerdings muss man hier noch präzisieren, dass ja nicht alle Hersteller im selben Ausmass betroffen sind. 

Wie lange glauben Sie, dauern die Folgen der aktuellen Lieferknappheit noch an?
Das Thema hat inzwischen jene Priorität, die es aufgrund seiner tatsächlichen Bedeutung verdient. Die aktuelle Situation wird sich meines Erachtens noch über die nächsten drei Monate hinziehen, allerdings mit zunehmend abnehmenden Auswirkungen. 

Was wir aktuell erleben, ist ein erneuter Stresstest für die Automobilindustrie. Was werden die Konsequenzen sein?
Der Fehler wird mit Sicherheit nicht wiederholt werden, weil spätestens jetzt allen klar ist, welch enorme Bedeutung die Produzenten von Halbleitern für die Automobilindustrie tatsächlich haben. Erst recht im Hinblick darauf, dass Connectivity und autonomes Fahren in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. 

Betroffen von den Produktionsausfällen beziehungsweise Verzögerungen sind auch die Händler. Was bedeutet das für sie? 
Als erste und direkte Ansprechpartner sind die Garagisten für die Mobilität ihrer Kunden verantwortlich. Hier sind die Teams jetzt gefordert, im Bedarfsfall rasch individuelle Lösungen zu finden, oftmals in enger Zusammenarbeit mit dem Importeur beziehungsweise dem Hersteller. Schliesslich geht es darum, auf keinen Fall Kunden zu verlieren. 
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